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„Der Regierung immer einen Schritt voraus“

Zum Start der Betriebsimpfung werfen wir einen Blick zurück und nach vorne mit Michael Schild, Betriebsratsvorsitzender von Diebold Nixdorf in Paderborn.

 

Michael, Ihr wart unter den Ersten: Sehr schnell habt Ihr als Betriebsrat, gemeinsam mit Eurem Arbeitgeber, Hygiene- und Schutzkonzepte gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Wann kam es zu den ersten Schritten?

 Vorgewarnt durch unser Joint Venture Werk in Asien sind wir direkt Anfang des Jahres 2020 – mit allen interdisziplinären Teams im Unternehmen – mit unserem ersten Schutzkonzept gestartet:  Dies beinhaltete Desinfektionsspender, Fiebermessungen an allen Eingängen und Infotafeln zu den Hygienemaßnahmen. Ende Februar haben wir erste Absprachen mit dem Gesundheitsamt getroffen. Ab März wurden Einbahnstraßen eingerichtet, um Begegnungsverkehr zu unterbinden. Auch haben wir die Normalschicht aufgeteilt in Früh- und Spätschicht. Das Hygienekonzept wurde während der gesamten Zeit weiter optimiert, beispielsweise durch automatisiertes Fiebermessen. Im April hatten wir vorsorglich Kurzarbeit angemeldet, das ist immer ein großer Verwaltungsaufwand. Im Werk mussten wir die Kurzarbeit zum Glück aber gar nicht umsetzen. Im Mai 2020 bekamen wir erste Prototypen von Siemens zur professionellen Temperaturmessung an unseren Eingängen. Gemeinsam mit Siemens haben wir die bis zur Marktreife begleitet.

 

 

Wie sieht es bei Euch mit Homeoffice aus? Für welche Anteile Eurer Belegschaft ist das überhaupt möglich? Und welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht?

Ende März haben wir die ersten Beschäftigten ins Homeoffice geschickt: überall dort, wo es gut möglich war. Ungefähr vier von fünf unserer rund 200 Entwicklerinnen und Entwickler konnten das Angebot nutzen. Das hat sehr gut funktioniert. Aufgrund unserer guten technischen Ausstattung konnten wir diesen Prozess ohne zusätzliche Arbeitsmittel bewerkstelligen.

 

Lange bevor die Politik Vorgaben zu Corona-Tests im Betrieb gemacht hat, hattet ihr schon eine Teststrategie, richtig? Wie hat’s angefangen und sich bis heute entwickelt?

 Insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir mit unseren Maßnahmen der Regierung immer einen Schritt voraus waren. Mit den ersten Testungen haben wir hier Anfang Dezember 2020 begonnen. Da stand das Konzept. Zuerst waren es 27 Tests, mit denen wir das präventive Vorgehen einmal durchgegangen sind. Ab Januar 2021 hat unser medizinischer Dienst präventive Tests durchgeführt. Wir brauchten eine Zeit, um das Angebot hochzufahren, aber ab Februar konnten wir allen Interessierten Tests anbieten. Kostenfrei! Auch unser Arbeitgeber hat bei diesen Fragen Gesundheit vor Mehrkosten gestellt.

Zuerst wollten wir bei der Anmeldung auf die Anmeldeprogramme der öffentlichen Verwaltung zurückgreifen. Weil ich aber schon in meinem privaten Umfeld sehen konnte, dass diese Systeme nicht so gut funktionieren, haben wir ein eigenes digitales Anmeldesystem auf die Beine gestellt. Alle können sich dort unbürokratisch anmelden – das geht auch ohne Handy und Computer.

 

Wie sieht es mit Corona-Fällen aus? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Und wie klappt es bei Euch, mit den Tests positive Fälle herauszufiltern?

Die Tests haben bei uns sehr zuverlässig angeschlagen. Alle Kolleginnen und Kollegen, die positiv getestet wurden, waren auch beim Labortest positiv. Direkt in der ersten Woche konnten wir damit elf Beschäftigte effektiv in die Quarantäne schicken. Das waren Beschäftigte, die bei der Arbeit keine Symptome hatten. Als wir dies beim Gesundheitsamt gemeldet hatten, kam es zu Irritationen. Die Behörde fürchtete einen ähnlichen Corona-Ausbruch wie in der Fleischindustrie. Wir konnten sie beruhigen. Unser Schutzkonzept hat gegriffen. Immer dann, wenn wir einen Positivtest haben, testen wir das gesamte berufliche Umfeld. Einmal direkt – und nochmal nach vier Tagen.

Wir erwarten von den Kolleginnen und Kollegen die wöchentliche Testung. Aber alles geschieht auf freiwilliger Basis. Damit fahren wir sehr gut, die Solidarität unter den Kolleginnen und Kollegen ist groß.

 

Auch auf das Impfen im Betrieb seid Ihr längerfristig vorbereitet. Jetzt, im Juni, geht’s nun endlich los. Wie werdet Ihr das betrieblich organisieren? Mit welchem Impftempo rechnet Ihr? Und welche Probleme, auch bezüglich der freiwilligen Teilnahme, siehst Du?

Zuerst einmal: Wir stehen schon lange bereit. Wenn wir früher Impfstoff bekommen hätten, hätte unser medizinischer Dienst direkt losgelegt. Jetzt zu unserer zweiteiligen Strategie: Zum einen werden wir wöchentlich beim Medizinisches Zentrum für Gesundheit Bad Lippspringe Kolleginnen und Kollegen impfen lassen. Zum anderen halten wir uns die Option offen, zusätzlich „in house“ zu impfen. Wir planen, bis zu 400 Impfungen pro Tag durchzuführen. Geimpft werden sollen bei uns alle interessierten Anwesenden, auch die Externen, die sich bei uns im Gebäude aufhalten. Von den Reinigungskräften bis zum Management. Schon Anfang Mai haben wir unsere Belegschaft befragt, wer sich impfen lassen möchte. Nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Russisch und Türkisch. Am ersten Tag waren es schon 688 Kolleginnen und Kollegen, die sich zum Impfen angemeldet haben. Insgesamt gehen wir von ca. 1000 Beschäftigten aus, die Interesse haben. Bei uns findet das Impfen in der Arbeitszeit statt!

 

Würdest Du insgesamt sagen, dass Ihr die Arbeit bei Euch Corona-konform, also sicher gestalten konntet? Oder wäre ein betrieblicher „kurzer, harter Lockdown“ eine Alternative gewesen? Was sagst Du Menschen, die so einen Betriebslockdown gefordert haben?

 Bei uns haben alle Räder gut ineinandergegriffen. Auch mit den medizinischen Stellen und dem Gesundheitsamt. Wir haben dabei immer dazu gelernt. Ja, unser Hygienekonzept hat gegriffen. Aufgrund der sehr niedrigen Anzahl positiver Fälle, die wir im Betrieb durch die Tests belastbar erfassen konnten, hätte ein betrieblicher Lockdown bei uns kaum einen Unterschied gemacht. Auch in den Wochen im April, in denen die Paderborner Inzidenz sehr hoch war, hatten wir kaum Fälle im Betrieb. Unter Umständen wäre ein betrieblicher Lockdown eher kontraproduktiv gewesen, weil sich die Menschen dann eher und mehr im Privaten nahegekommen wären – auf engem Raum und ohne regelmäßige Tests.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!